Über Verkehrserlebnisse und Anreize

Ich würde ja so gerne mehr Bahn fahren, wirklich. Aber hier mal meine zwei letzten Bahnfahrten kurz zusammengefasst. Ich hätte auch die letzten vier draus machen können aber die Message wird auch so klar.

Kurz zur Ausgangslage: Wir befinden uns in Deutschlands viertgrößter Stadt – einer Millionenstadt. Es ist 13 Uhr an einem Wochentag und ich muss vom Bahnhof Ehrenfeld zum Hauptbahnhof. Wir sind also sehr zentral, mit der S-Bahn sind’s 1-2 Stationen.
Ich bin voller Naivität und Optimismus und beschließe, einfach loszugehen. Schließlich sollte es nicht mehr als ein paar Minuten dauern, bis die nächste S-Bahn vorbeikommt, und ich werde sicherlich nicht länger als 5 Minuten warten müssen, oder?

Fast am Bahnhof Ehrenfeld angelangt, greife ich zum Handy und öffne die DB-App. Ich möchte wissen, auf welches Gleis ich muss. Mit einem Mix aus Verwunderung, WTF-Gefühlen und Verzweiflung lese ich: Die nächste Bahn kommt erst in 25 Minuten. In 25 Minuten! An einem der verkehrsreichsten Bahnhöfe dieser Stadt, wenn nicht sogar in NRW!

Eine Woche zuvor: Wir kehren aus dem Urlaub zurück. Unser Flugzeug landet kurz vor Mitternacht am Flughafen Köln-Bonn. Wir hatten eine Woche in Spanien verbracht, genauer gesagt in Barcelona. Dort war der öffentliche Nahverkehr überraschend pünktlich und zuverlässig. Die U-Bahnen waren vorhanden, klimatisiert und fuhren regelmäßig alle 2-3 Minuten. Sie kamen sogar pünktlich an den Haltestellen an, auch nachts.
Jedenfalls, der Flughafen Köln-Bonn war zu dieser späten Stunde recht belebt, da gleichzeitig mehrere Flüge gelandet waren. Köln-Bonn ist schließlich kein kleiner Flughafen, hier ist was los!

Wir schafften es, um 0:23 Uhr eine der spärlichen Bahnen Richtung City zu erwischen und freuten uns darauf, endlich nach Hause zu kommen. Doch kurz vor Kalk fing das Drama an – die Bahn verlangsamte sich und wurde immer unpünktlicher. Im Grunde war uns das egal, denn wir hatten ja keine Sorge irgendeinen Anschluss zu verpassen. Und seien wir ehrlich: Wer stellt schon große Erwartungen an den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland?

Irgendwann kamen wir dann zum Stillstand. Der Zugführer verkündete trocken: „Leider sind wir außerplanmäßig stehen geblieben, da uns niemand gesagt hat, ob wir umgeleitet werden oder nicht. Willkommen bei der deutschen Bahn!“ Funny! Not…

Nach einer Weile ging es weiter. Aber gleich in Deutz, auf der Auffahrt der Hohenzollernbrücke, hielten wir erneut an, irgendwas mit Gleiswechsel, keiner weiß, wann es weiter geht.
Einige andere Züge fuhren an uns vorbei. Viele Mitreisende wurden unruhig und ärgerten sich deutlich wahrnehmbar. Einige begannen sogar sich miteinander zu unterhalten! Deutsche Fremde weit nach null – ich glaube das verdeutlicht die Dramatik ganz gut. Die meisten Reisenden waren ebenfalls gerade aus einem Flieger gestiegen. Müde, mit leeren Handys, leeren Mägen und so weiter.
Ein sehr unnötiges Erlebnis, wenn sich im letzten Reiseabschnitt noch so ein kleines unerwartetes Abenteuer versteckt und wir ein wenig Extra-Zeit in der Bahn spendiert bekommen.
Versunken in tiefer Dankbarkeit, durften wir 15 endlose Minuten später die Brücke dann endlich auch passieren.

Am Ende hatten wir auf einer Strecke, die normalerweise etwa 35 Minuten dauert, ganze 45 Minuten Verspätung. Also 45 Min. Verspätung oben drauf, nicht etwa 10 Minuten Verlängerung!

Schon ein cooles Gefühl, wenn das erste Erlebnis in Deutschland mit dem Thema „Mobilität“ einen sofort wieder auf den Boden der Tatsachen in Deutschland zurückholt und damit das Feriengefühl garantiert instantly weggezaubert wird!

So. Hier werde ich mich an dieser Stelle bremsen. Ansonsten könnte das Ganze schnell in einen Rant über „Köln (und Deutschland) ist im Arsch“ ausarten.

Solche immer häufigeren Erlebnisse verhindern meine grundsätzlichen Umstieg auf den Verkehrsträger Bahn. Ich sehe es so: Wundert sich irgendjemand ernsthaft darüber, dass kein Deutscher freiwillig auf die Bahn umsteigt und das Auto wenigstens ab und zu mal stehen lässt?
Ich versuche es ja, aber abgesehen von alleine gefahrenen Metropolen-Strecken wie z.B. Köln – München, will man sich die Bahn WIRKLICH nicht antun. Und da gehts nicht um Bequemlichkeit. Da gehts um Geld (Bezahle doch mal die Fahrt zu zweit von Köln nach Rostock und zurück und dann noch vor Ort den ÖPNV um mobil zu sein vs. Auto inkl. Autonomie und Zeitersparnis). Da ändert ein 9-/49-Euro Ticket exakt nichts dran. Die Qualität macht den Anreiz aus und der Preis entscheidet, sagt der BWLer in mir.

Solange wesentlich mehr Investitionen in den Straßenbau als in die Verbesserung des ÖPNV und Fernverkehr fließt (egal welche Dimension – Netzausbau, Digitalisierung, Verkehrsmittel an sich, Frequenz, Sauberkeit bla bla), sehe ich nicht, wie sich eine signifikante Bevölkerungsmehrheit eines dezentral besiedelten Landes wie Deutschland gewinnen lässt und freiwillig umsteigt. Wenn dabei versucht wird den Anreiz über eine höhere CO2-Besteuerung zu schaffen, ohne den im Koalitionsvertrag versprochenen gleichzeitigen Ausgleich zu schaffen (was sich gerade ankündigt), sehe ich Gelbwestenproteste kommen, von denen Olaf Scholz ja angeblich so Angst hat (Weil wir arroganten Kartoffeln es nicht schaffen, innerhalb von 3 Jahren einen Auszahlungsmechanismus zu schaffen).

Danke CDU & CSU sowie der SPD für das jahrzehntelange Missmanagement. Jetzt steht ihr doof da und lasst euch von der FDP diktieren, wie das Problem für Autofahrerende gelöst wird und die Bahn gerade so viel Kohle bekommt um immerhin zu existieren.

Ach so, ich wollte vor dem Rant ja stoppen. Sorry :-)