Online-Werber verkaufen uns für dumm. Sie nerven, sie lenken ab, sie veräppeln uns und verursachen Kosten. Das alles mit Vorsatz, die Kosten werden billigend in Kauf genommen.
Warum lassen wir uns das gefallen?
WTF? Ohne Werbeblocker wiegt die Website aus dem Screenshot oben 6,4 MB (Für die Erwachsenen unter uns: das sind fünf 1,44-Zoll-Disketten). Mit Werbeblocker sind es nur noch 2,1 MB. Immer noch stolz, allerdings fast normal bei einer solchen Site.
Meistens läuft der Aufruf von Webseiten folgenermaßen ab: Banner sind das Erste, was ich von der Seite zu sehen bekomme. Oft flackern oder springen Websites wegen des Nachladens von Bannern, was schnell zu einem versehentlichen Klick auf so ein Ding führt, was mich dann wieder zu irgendeiner Website führt, die mir Versicherungen verkaufen möchte…
…danke, nein!
Der Grund, warum ich pro Monat mindestens ein mal meinen mobilen Traffic nachbuche, liegt also weniger in meinem Surfverhalten, sondern in mehr oder weniger intelligenten Werbebannern + Trackern, die riesig sind und zu versehentlichen Klicks auf riesige Websites verleiten (und in den deutschen Telko-Konzernen, die mit lächerlich wenigen Inklusivminuten andere Geschäftsbereiche subventionieren).
Wenn also, siehe oben, um den Faktor 3 schneller und gefahrlos gesurft werden kann, wird AdBlocking schlicht zur wirtschaftlichen Notwendigkeit.
Die Inhalte auch nicht besser
So viel zum technischen Aspekt der netten Banner. Der inhaltliche Teil ist auch nicht viel besser. Der Standard sind Flächen, die sich mindestens in irgendeiner Weise bewegen, um so Aufmerksamkeit zu erhaschen. Fies sind die Lay-Overs, die mir in letzter Zeit mobil wie auf dem Rechner begegnen, die keinen Schließen-Button haben – ein Revival der nie vermissten Pop-Ups. Oder, noch viel besser, sie haben einen solchen Knopf, aber beim Klick schließen die Pop-Ups nicht etwa, nein, sie öffnen die Landingpage der Anzeige. Wer hier einen Programmierfehler vermutet, irrt…
Sache des Anbieters ist die Anzahl und Platzierung von Anzeigen. Was man hier zu sehen bekommt ist nicht selten die komplette Entstellung von Websites, auch hier ist die Horizont-Website wieder ein leuchtendes Beispiel, wo man den Inhalt vor lauter Anzeigen nicht sieht.
Spiegel-Online-Filme sehe ich mir konsequenter Weise nicht mehr an, seit dem sie dort vor ihre Filme die schmerzhaft peinliche Check24-Werbung schalten.
Onlinewerbung funktioniert oft einfach nicht
Wer sich schon mal online über Produkte informiert hat – egal ob mit oder ohne Kaufabsicht – kennt das folgende Szenario: Das gerade betrachtete Produkt erscheint auf einmal dauernd in irgendwelchen Anzeigen auf allen möglichen Seiten. Personalisierte Werbung nennt man das. Habe ich mir das Ding gerade gekauft, sehe ich diese Werbung immer noch. Egal ob ich den Kauf online oder offline abgeschlossen habe. Ich kann das nicht weg klicken, obwohl es für mich total irrelevant ist. Warum ignoriert die Onlinemarketing-Industrie dieses bekannte weit verbreitete RoPo Prinzip?
Anderes Beispiel amazon – der Onlinehändler, den der gesamte Markt hasst aber von allen insgeheim schwer bewundert wird. Auch dieses Szenario kennen sicher viele: man sucht für die lieben Bekannten einen Artikel raus, kauft ihn vielleicht auch. Jetzt denkt amazon, dass ich mich für diesen Kram interessiere und präsentiert mir Empfehlungen, die darauf basieren. Aber eben nicht passen. Für Leute wie mich, die dort eher Geschenke als Dinge für sich selbst kaufen, ist das der totale Nonsens.
Oder Youtube: warum läuft vor jedem zweiten Video Werbung für Katzen- oder Hundefutter?
Da redet die gesamte Online-Werbeindustrie von zielgenauer Werbung, nie war es einfacher und günstiger Streuverluste zu minimieren und dann das? Wie dumm kann ein Algorithmus eigentlich sein? Bei zig abonnierten Channels und mindestens 3 wöchentlichen Sessions á 30-50 Minuten in Verbindung mit meinem GMail-Account sollten doch eigentlich genug sein um meine Interessenlage so halbwegs korrekt anpeilen zu können.
Erstaunlich, dass dieser Markt nicht mehr Intelligenz hinbekommt, wo doch ständig überoptimiert wird. Offensichtlich ist das ganze Gerede über künstliche Intelligenz stark überbewertet und ich muss mir keine Sorgen machen, meinen Job demnächst von einem Algorithmus übernommen zu sehen.
Hinzu kommt, dass was wir an Onlinewerbung präsentiert bekommen, seltenst originell oder lustig ist. Warum sollte man auch mittels Komik oder echter Relevanz an der Akzeptanz arbeiten? Nein, sie produzieren billig weiter und weiter, egal wie sehr es die User schmerzt. Die Quittung kommt in Form von AdBlockern, welche zusehends gesellschaftsfähiger werden.
Die vorläufige Lösung
Diesen Montag sprach ein Kollege im Rückblick auf die dmexco das aus, was ich seit Jahren zum Thema Ads, Werbebanner und Co denke:
„Macht euch mal klar, welchen Leidensdruck die Werbung bei Usern erzeugt, damit die die Hürde nehmen, sich Werbeblocker zu installieren“.
In allen Desktop-Browsern nutze ich die schon sehr lange. Seit iOS 9 gibt es nun endlich die Möglichkeit Werbeblocker auch für den mobilen Safari zu installieren. In nur einer Woche kamen gleich ein halbes Dutzend raus. Ich hab mich für Peace entschieden. Die knapp 3 Euro dafür waren eine der besten App-Investitionen, die ich je getätigt habe. Leider hat der Entwickler sie wieder aus dem Store genommen, weil er meint die Software füge den Werbetreibenden Schaden zu.
Diese Skrupel habe ich nicht – ganz einfach deswegen, weil ich gegenteiliger Meinung bin und weil mich die Onlinewerbeindustrie mit ihrem Dreck zumüllt, veräppelt, mentale und reale Kosten verursacht und ich mir zu schade bin mir deren Quatsch immer und immer wieder reinzuziehen.
25% die wehtun
So denken anscheinend auch viele andere, denn 2015 sind in Deutschland ganze 25% der User mit Werbeblockern unterwegs.
Für Werber und ihre Kunden, die Conversation-Rates im unteren einstelligen Bereich als Erfolg verbuchen, wo Landingpage-Artikel mit super-mega-optimalen Vorlagen und -Howtos den Megaerfolg garantieren (dank irre geiler 0,4% CTR-Steigerung), muss und sollte das ein Schlag ins Gesicht sein. Einer, der sie hoffentlich langsam mal aufwachen lässt.
Diese 25% kann man auch als (Zielgruppen-)Verlust betrachten. Dann tut das weh und verursacht immense „Schäden“. Dies hat RTL und ProSiebenSat.1 dazu veranlasst Eyeo, den AdBlockPlus-Herausgeber, zu verklagen. Mehr Kreativität war nicht drin, wen wundert’s… Diese Energie könnten sie in sehr viel kreativere Onlinewerbung investieren, denn dann gäbe es keinen Grund AdblockPlus zu installieren.
PS: die Klage wurde natürlich abgewiesen