CDU im Rückwärtsgang

Ein politisches U-Boot ist zurück: Friedrich Merz ist wieder da! Endlich ein weißer alter Millionär, der die feuchten Träume vieler genauso alter weißer CDU- und AfD-Männer wahr werden lässt…

Gerade ist die Merz‘sche Pressekonferenz vorbei und das Kind der Nachbarn verhindert mit seinem Gekreische mein Nickerchen. Dann kann ich das, was ich gerade denke auch aufschreiben…

Letzter Montag war nachrichtentechnisch schon interessant. Gerade steckst du noch in Gedanken bei einem völlig arroganten und bräsig grinsenden Christian Lindner in Anne Wills Talkshow. Dann schaust du kurz auf die Push-Meldung der Tagesschau und schon ist der ganze Hessenwahlkram vergessen.

Seitdem hecheln Deutschlands Redakteure kollektiv völlig überlastet, als ob sie in einer Sauna joggen würden. 

Was ist passiert? Angela Merkel gab ein Statement: Zum einen möchte sie nicht noch mal als Bundeskanzlerin antreten – was nun eigentlich null Nachrichtenwert hatte, denn niemand rechnet ernsthaft damit, dass diese GroKo überhaupt so lange durchhält – und zum anderen verzichtet sie auf die Verteidigung ihres Parteivorsitzes Anfang Dezember.

Schlagartig, als hätte er geahnt was kommt, lanciert Friedrich Merz gemeinsam mit der BILD sein Wiederauftauchen aus der Versenkung und bietet sich als Nachfolgekandidat an.

Spannend daran ist, dass sich der Typ, der sich vor 10 Jahren von Angela Merkel aus den Ämtern jagen ließ, sich erst zurück traut, nachdem sie keine Lust mehr hat.
Was sagt das über jemanden aus, der eine Partei führen will?

Männlich, reich, alt + Seilschaften

Ich wäre sehr überrascht, wenn er das Rennen nicht gewinnen würde. Mit Sicherheit hat er als Gegenmodell zu Angela Merkel viele heimliche Fans in der CDU. Männlich, steinreich, alt, viele Seilschaften in die Wirtschaft.
Mit ihm an der Spitze würde die Partei weiter nach rechts driften, sie würde den Teil des sozialpolitischen Profils verlieren, den sie unter Merkels Führung der SPD abgerungen hat. Die Sozialdemokraten wiederrum erhalten damit endlich wieder ihren angestammten USP, damit auch endlich wieder Aufwind und schwupps – die Volksparteien sind wieder da!

Seine Kandidatur ist Konservatismus pur: Er bietet als Lösung für die Probleme der Partei und Deutschlands – gerade nannte er es in der PK „Aufbruch & Erneuerung“ – den Rückwärtsgang in alte Zeiten.

Video der Pressekonferenz auf YouTube

Inwieweit das unter den komplett anderen außen- und innenpolitischen Umständen funktionieren soll, lässt er offen. Er redet schwammig von Verjüngung der Partei und politischer Ausrichtung an westliche Demokratien. Ich weiß nicht welche er genau meint – ich kann nur hoffen, dass  er nicht von den USA, England, Österreich oder Italien spricht.

Der perfekte Kandidat

Auch was er in den letzten Jahren so getrieben hat, macht ihn zum perfekten Kandidaten der alten weißen Männer der CDU (und der AfD): Er saß in mehreren Aufsichts- und Verwaltungsräten, unter anderem bei Blackrock. Was er dort von Cum-Cum und Cum-Ex Steuerbetrügereien mitbekommen (evtl. auch mitgetragen) hat, wird sich zeigen. Mit dieser Lobbyvergangenheit, wird er sicher vieles bewegen – ich fürchte aber nichts, was zu einem gesellschaftlichen Fortschritt beitragen würde.

Das einzig Positive an dem Szenario: Die AfD verliert ihr Feindbild und damit einzigen „Inhalt“ mit dem sie arbeiten kann.

Ich vermute, dass nach turbulenten CDU-internen streitreichen Wochen, einem wahrscheinlichen Rücktritt der Kanzlerin und bestimmt auch Neuwahlen, eine Stabilisierung der politischen Großwetterlage Deutschlands eintritt.
Allerdings deutlich konservativer und neoliberaler als bisher.